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Mit Manfred über Minimalismus / With Manfred about minimalism

Aktualisiert: 18. Mai 2022

Was hast du vor deinem Eintritt in das KMH-Team getan?

Bis 2019 war ich als Bildender Künstler und Mitbegründer einer kleinen Galerie, Galerie Haus 23, in Cottbus Vorstandsmitglied im mit der Galerie verbundenen Kunst- und Kulturverein. Diese Galerie wurde noch zu späten DDR-Zeiten gegründet und wir hatten zunächst vor, die Galerie nach genau 30 Jahren ihres Bestehens im September 2019 zu schließen. Doch zu meiner Überraschung gibt es die Galerie immer noch - sie wurde nicht geschlossen, inzwischen bin ich aber nicht mehr im Vereinsvorstand und auch nur noch selten in Cottbus.

Kommen wir jetzt zum Thema Minimalismus. Ich habe mich sehr gefreut, dass du in der KMH auf ein solches Thema gekommen bist. Kannst du bitte für diejenigen, die nicht wissen, was Minimalismus ist, kurz erklären, was er bedeutet?

Cédric Waldburger ist ein Schweizer Unternehmer, der zwar sehr minimalistisch lebt, aber er sagte auch mal, dass er auf sich bezogen das Wort Minimalist nicht mag. Er bevorzugt die Bezeichnung Existenzialist, weil er meint, dass er durch minimalistische Auswahl nun tatsächlich die wenigen Dinge nutzt, die für ihn wichtig und existenziell notwendig sind und ich kann ihn da gut verstehen. Gegenwärtig finde ich es interessant, was Minimalismus für jüngere Menschen (Teenager, Mittzwanziger oder 30-Jährige) und was er für mich als 55-Jährigen bedeutet. Heutzutage sehe ich doch manches etwas anders als damals Mitte der 90er Jahre, als ich selbst noch 30 Jahre alt war und beschloss, mit weniger Dingen zu leben.

Wann war der Punkt in deinem Leben, an dem du begonnen hast, über Minimalismus nachzudenken? Gab es eine bestimmte Zeit?

Das war erstmals im Spätsommer 1989, als ich als junger DDR-Bürger nicht zur NVA, also zur DDR-Armee, eingezogen werden wollte und es plötzlich möglich wurde, illegal über Ungarn und Österreich nach Westdeutschland auszureisen. Ich konnte damals ja nur die Dinge, die in meinen Rucksack passten, mitnehmen. Der nächste Zeitpunkt war dann fast ein Jahrzehnt später, als ich mein Bildhauerei-Kunststudium beendete. Diesmal hatte ich mir vorgenommen, dass alle meine Sachen in einen Kubus von 2m x 2m x 2m, also in acht Kubikmeter, passen sollen. Danach habe ich das Gesamtvolumen meiner Dinge auf drei Kubikmeter gesenkt und am Ende konnte ich 1999 alle meine Sachen in einem Kubikmeter unterbringen. Leider hat sich in den letzten Jahren wieder vieles bei mir angesammelt und ich möchte nun wieder minimalistischer werden.

Wer inspiriert dich auf deiner minimalistischen Reise? Gibt es ein Buch oder einen Film oder eine Person?

Ich bin aktuell sehr inspiriert von dem japanischen Minimalisten Fumio Sasaki.

Ich habe das Gefühl, dass es Minimalismus schon immer gab und jetzt kehren wir einfach zu den Wurzeln zurück. Was ist deine Meinung dazu?

Ja, das empfinde ich auch so: Minimalismus gab es auf die eine oder andere Weise schon immer - denken wir an minimalistisch lebende christliche oder buddhistische Mönche in Klöstern, die tatsächlich nur mit sehr wenigen Dingen lebten. Auch Diogenes von Sinope und andere Philosophen der Antike lebten mit wenigen aber für sie wesentlichen und notwendigen Dingen. Ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert ist Henry David Thoreaus Experiment, worüber er das Buch Walden oder Leben in den Wäldern schrieb. Ich würde sagen, dieses Buch ist eine Art Klassiker für Minimalisten.

Warum denkst du, kommen wir darauf zurück?

Vielleicht ist es für uns heute so wichtig, weil wir nun schon fast 8 Milliarden Menschen auf der Erde sind und einerseits viel zu viel Zeug, andererseits aber nur diese eine Erde haben.

Hast du als studierter Bildhauer Aspekte des Minimalismus in deiner Kunst verwendet?

Ja - am Ende des Studiums. Aber als ich 1985 zunächst als Autodidakt anfing Skulpturen zu machen, war ich 19 Jahre alt und es war damals wichtig für mich, vieles, auch großformatiges und materialintensives, zu erschaffen - es tat einfach gut, viel zu machen. Es war schön, Ausstellungen mit diesen Skulpturen zu füllen und ich mochte es sehr, mit Holz zu arbeiten. In der letzten Phase meines Bildhauerstudiums Mitte der 90er Jahre unternahm ich eine längere Reise zur Osterinsel. Ich wollte dort die großen Moai-Steinskulpturen sehen, aber als ich dann dort ankam, war es für mich wichtiger, einfach nur an diesem ungewöhnlichen Ort zu sein, durch die Landschaft zu gehen, die Entfernungen zu spüren - die Osterinsel ist fast 2 000 km von jedem anderen Land entfernt. Sicher, die Moais waren eindrucksvoll, aber auf dieser Insel zu sein, hier lange ausgedehnte Spaziergänge zu machen, die Küste und die Berge zu Fuß zu erwandern, prägte meine Sehnsucht nach minimalistischer Lebensweise entscheidend mit.

Persönliche Fragen:

Was würdest du einem Besucher, einer Besucherin in Berlin empfehlen?

Gehen Sie zum Alten Museum. Davor steht die in der Biedermeierzeit geschaffene, weltweit größte Granitschale. Diese Schale wurde unter der Leitung des königlichen Baumeisters und Steinmetzen Christian Gottlieb Cantian von vielen Arbeitern hergestellt und sie brauchten dafür fast sieben Jahre. Sie entstand aus dem in der Eiszeit von Schweden “hergewanderten” größten Findling Brandenburgs, dem Großen Markgrafenstein. Ich denke, heutzutage würde es niemand mehr wagen, ein solches Naturdenkmal zu zerstören, um daraus eine Schale zu machen. Mehr als 100 Menschen arbeiteten an diesem Projekt, sie machten auch den Fluss, die Spree, tiefer und es brauchte ein großes Lastschiff, um den Rohling nach Berlin zu bringen, wo er weiter bearbeitet wurde. Die Schale wurde das "Biedermeier-Weltwunder" genannt - ich würde sie eher kritisch als Biedermeier-Umwelt-Verbrechen bezeichnen. Auch jetzt noch gibt es übrigens aufgrund der wechselnden Jahreszeiten immer wieder viel zu tun, um diese Schale zu erhalten. Sie ist für mich ein Beispiel dafür, dass es mitunter besser ist, gar nichts zu tun, als mit großem Aufwand etwas wie diese Granitschale herzustellen und damit wiederum etwas anderes, ein einzigartiges Naturdenkmal wie den Großen Markgrafenstein, unwiederbringlich zu zerstören.

Wann hast du zuletzt für dich selbst gesungen?

Vor einigen Tagen habe ich ein DDR-Lied gesungen.

Welchen materiellen Gegenstand würdest du aus deinem Haus tragen, wenn es brennen würde? - Nur eine Sache (Alle Menschen und Haustiere sind bereits gerettet).

Vermutlich einen Overall als Kleidungsstück.

Planst du ein Smartphone zu kaufen? Wenn nicht, warum nicht?

Ich hatte bisher noch kein Smartphone und möchte mit dem Kauf eines Smartphones auch noch etwas warten, falls ich überhaupt eins kaufe. Mehr und mehr gefallen mir zwar die Bildergebnisse kompakter Smartphone-Kameras, aber ich habe mir kürzlich neue Akkus für meine alte Digitalkamera besorgt und damit komme ich nun noch eine Weile gut zurecht - doch so ein modernes flaches Smartphone mit großem Display und guter Kamera könnte mir schon gefallen.

Was hörst du heutzutage?

Ich höre die Musik der 60er Jahre. The Walker Brothers sind meine neueste Wiederentdeckung. (von der Interviewerin auch empfohlen!)

Was willst du auf diese Welt bringen?

Mehr Spaziergänge. Es würde mich freuen, wenn ich mehr Menschen dazu bewegen könnte, viel mehr als bisher zu Fuß zu gehen. Die Leute könnten sich ja auch in der Zeit, in der sie sonst in geschlossenen Räumen auf Stühlen sitzend miteinander reden, draußen beim Spazierengehen austauschen. Dieses Jahr habe ich beschlossen, das Zu-Fuß-Gehen irgendwie in eine bevorstehende Ausstellung aufzunehmen, wenn Corona es zulässt. Zusammen mit Gleichgesinnten versuche ich eine Spaziergangsgesprächsgruppe in der KMH anzuregen.


What did you do before joining the KMH team?

Before joining the KMH team I was a member and one of the founders of Galerie Haus 23 in Kottbus. We decided to close the gallery after 30 years in the 2019 (the gallery was founded in 1989). To my surprise gallery is still working, it didn´t close but I´m not the part of the board of directors anymore.

Let´s get to the topic of minimalism now. I was very happy that you came up with such a topic in KMH. For those who doesn´t know what minimalism is, could you shortly explain what does it mean please?

Cédric Waldburger (a Swiss minimalist) said that he doesn´t like the word minimalist. He prefers existencialist because how he sees minimalism as using and having thing which are important and meainingful to him... and I fully agree with his explanation. It´s interesting to hear what minimalism means for younger people (teenagers or 30 years olds) and for me as a 55 years old man. For me it´s not the same as when I was 33 years old and I decided to have less things.

When was the point in your life when you started to think about minimalism? Was there a specific time?

It was in the year 1989 when I didn´t want go to army and there was a possiility to go to the West Germany through Hungary and Austria. I had only the things that fit in my ruksack to take with me. The second time was 10 years later when I finished studying. This time I decided that all my stuff has to fit in 8 cubic meters. Afterward I lowered the number to 3 cubic meters and at the end of 1999 I could fit all my stuff into 1 cubic meter.

Who inspires you on your minimalistic journey? Is there a book or a film or a person?

I´m inspired by a Japanese minimalist called Fumio Sasaki.

I feel like minimalism was always here and now we are just getting back to the roots. What is your opinion?

I think minimalism was always here, we could see minimalistic living Christian monasteries where people lived with a little amount of things. This also applies to Buddhists for example. Also Diogenes (who helped to form Stoicism) and former Antic philosophers lived with little things. An example from the 19th century is Henry David Thoreau´s experiment about which he wrote a book called Walden, or Life in the Woods. I would say this book is some kind of Bible for minimalists.

Why do you think we are getting back to it?

Maybe it´s important because we are nearly 8 billion people on Earth and we have a lot of stuff and only one Earth. There is not enough place for all of the things.

As a studied sculptor, have you used any aspects of minimalism in your art?

Yes, nowadays. When I began in 1985 I was 19 years old and it was important for me to see what happens if you have a feature and it was nice to do a lot and it was nice to make exhibitions with a lot of things, it was nice to work with shapes and wood. In the last period of my sculptor studies in the middle of 90´s I made a trip to Easter Island. I wanted to see big sculptures called Moai but when I was there it was more important to be there (in the present moment), to walk around the landscape, to feel the distance (Easter Island is around 2 000 km away from another land). The Moais were important but to be there, seeing the coast and the mountains formed the beginning of my minimalistic way of living.

Personal questions:

What would you recommend visiting in Berlin?

Go and have a look in front of the Altes Museum. There you will find the world largest granite bowl in the whole world made out of a single granite boulder. It was made byt a royal builder and stonemason Cristian Gottlieb Cantian and it took him 7 years to build it. It´s made out of natural stone from the area of Brandenburg. I think nowadays nobody would dare to take such a large nice stone and make some small thing out of it. More than 100 people had to work on it, they made the river deeper, they had to take large ships to take the stone material to Berlin and to give it the last work in Berlin. I would say it´s kind of a crime on nature. It was called the "Biedermeier wonder of the world". Now people have a lot of work to hold it in form due to the changing weather seasons.

When did you last sing to yourself? To someone else?

Some days ago, I was singing a GDR song.

Which materialistic item would you carry out of your house if it was on a fire? One thing. (All of the people and pets are saved already).

Overall. To have some clothing later.

Are you planning on getting a smartphone. If not, why not?

I want to wait with getting a smartphone. Lately I bought a new battery for my old camera to take good photos at least, because that is what I miss in not having a smartphone.

What do you listen to these days?

I listen to the music of the 60´s. The Walker brothers is my latest discovery. (recommended by the interviewer!)

What do you want to bring to this world?

Walking. I would be happy if I would be able to bring more walking to my community. People could use the time when they are speaking to each other in closed spaces to go for a walk and talk there. This year I decided to incorporate walking in my upcoming exhibition (if Corona won´t stop me). I´m thinking of creating a walking group in KMH.


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